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Dr. med. Martin Fuerst

Ellenbogengelenk

Das Ellenbogengelenk wird oft etwas vernachlässigt, da Funktionsstörungen durch die Hand und das Schultergelenk ausgeglichen werden können. Dennoch sind Erkrankungen dieses komplexen Gelenkes sehr schmerzhaft und können die Funktion des Armes erheblich beeinträchtigen. Zunächst ist die korrekte Diagnose der Erkrankung erforderlich, da neben Schäden im eigentlichen Gelenk auch die das Gelenk umgebende Weichteile, Sehnen und Muskeln, erhebliche Ellenbogenschmerzen verursachen können.

Folgende typische Krankheitsbilder stellen die häufigsten orthopädischen Erkrankungen des Ellenbogengelenkes dar:

Tennisellenbogen – Epikondylitis

Erkrankungen der Sehnenansätze der Unterarmmuskulatur am Ellenbogen können eine erhebliche schmerzhafte Funktionseinschränkung verursachen. In einprägsamer Weise wird die Erkrankung des Sehnenansatzes an der Außenseite des Ellenbogens als Tennisellenbogen, die Erkrankung an der Innenseite als Golferellenbogen bezeichnet. Tatsächlich betrifft die Erkrankung nur in seltenen Fällen tatsächlich Tennis- oder Golfspieler. Vielmehr führen alltägliche Arbeitsbelastungen zu schmerzhaften Überbeanspruchungen.
Diese Erkrankung kann nahezu immer konservativ behandelt werden: Schmerztherapie, Physiotherapie, Akupunktur, Stosswellentherapie und Schienenversorgung können die Schmerzen zuverlässig reduzieren. Nur in seltenen Ausnahmefällen kann eine operative Therapie notwendig werden.

Schleimbeutelentzündung – Bursitis

Durch Überbeanspruchung oder im Rahmen rheumatischer Erkrankungen können erhebliche Schwellungen und Entzündungen auftreten. Betroffen ist in den meisten Fällen der Schleimbeutel, der direkt über der knöchernen Ellenbogenspitze (Olecranon) liegt. Dauerhafte Druckbeanspruchung beim Aufstützen („Studentenellenbogen“) können zu einer Entzündung führen. Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis kann dieser Schleimbeutel stark entzündlich verändert sein und steht dann fast immer mit der Gelenkhöhle in Verbindung.
Führt eine intensive konservative Therapie nicht zum erfolg, muss der Schleimbeutel operativ entfernt werden.

Abb.: Ausgeprägte Schleimbeutelentzündung am Ellenbogen bei einem Patienten mit rheumatoider Arthritis (Bursitis Olecrani). Diese ausgeprägten Bursitiden stehen häufig mit dem Gelenk in Verbindung und erfordern eine sorgfältige operative Entfernung mit Entfernung der Gelenkinnenhaut (Synovialektomie).

Arthrose

Auch das Ellenbogengelenk kann eine Arthrose ausbilden – ohne erkennbaren Grund oder als Folgezustand einer Verletzung oder Erkrankung. In frühen Stadien kann durch eine Arthroskopie oder über einen kleinen offenen Zugang ein Teil der Arthroseschäden vermindert werden und freie Gelenkkörper sowie entzündlich veränderte Gelenkschleimhaut entfernt werden. In einigen Fällen kann durch Neuformung des Gelenks (Arthroplastik) eine Endoprothese umgangen oder hinausgezögert werden. Sind die Schäden am Ellenbogengelenk stark ausgeprägt, kann die endoprothetische Versorgung mit individuell angepassten Implantaten notwendig werden.

Rheumatoide Arthritis – Cubitalarthritis

Patienten mit rheumatoider Arthritis bedürfen einer besonderen Behandlung des Gelenkes: Im Vordergrund steht bei stark entzündlichen Zuständen die Entfernung der Gelenkinnenhaut (Synovialektomie), häufig in Verbindung mit einer Arthroplastik. Die Synovialektomie kann je nach Befall offen oder arthroskopisch durchgeführt werden. Bei fortgeschrittenen Stadien der rheumatischen Cubitalarthritis ist die Kombination aus Synovialektomie und Entfernung des Radiusköpfchen eine Operationstechnik, mit der sich in vielen Fällen eine Schmerzfreiheit und gute Funktion erzielen lässt. Stark zerstörte Gelenke und mutilierende Veränderungen mit Instabilität können eine endoprothetische Versorgung notwendig machen.

Endoprothetik des Ellenbogengelenkes

Die endoprothetische Versorgung des Ellenbogengelenkes ist im Vergleich zur Hüft- und Kniegelenkendoprothetik eine eher seltene Operation. Die primäre Ellenbogenarthrose (Cubitalarthrose) ist wesentlich seltener behandlungsbedürftig als die Arthrose der großen Gelenke. Die häufigste Grunderkrankung, die zur Implantation einer Ellenbogengelenkendoprothese führt, ist die Rheumatoide Arthritis (RA). Posttraumatische Zustände führen seltener als die RA aber häufiger als die primäre Cubitalarthrose zur Implantation einer Ellenbogengelenkendoprothese.
Hinzu kommt, dass Funktionsdefizite des Ellenbogengelenkes erst sehr spät Auswirkungen haben. Ein Streckdefizit von 20° oder mehr führt im täglichen Leben nur selten zu einer gravierenden funktionellen Behinderung. Die rheumatische Cubitalarthritis wird ebenfalls vergleichsweise selten operativ behandelt, da beim Rheumapatienten die Beschwerden durch die Gelenke der unteren Extremität und die Funktionseinbußen bei Handbefall im Vordergrund stehen. Im Frühstadium der schmerzhaften und funktionsdefizitären rheumatischen Cubitalarthritis hat weiterhin die Synovektomie, ggf. mit Resektion des Radiusköpfchens, ihren Stellenwert, die zuverlässig Schmerzen reduziert und die Funktion verbessert.
In den fortgeschritteneren Stadien mit zunehmenden Schmerzen, Funktionseinschränkungen und Instabilität besteht die Indikation zur endoprothetischen Versorgung.
Je nach Stabilität des Gelenkes können ungekoppelte, teil- oder vollgekoppelte Endoprothesen verwendet werden. Bei der RA besteht die Besonderheit, dass unter Umständen bereits in früheren Stadien eine Endoprothese verankert werden sollte, bevor mutilierende Gelenkveränderungen zu ausgedehnten Knochenverlusten führen. Auch ist der Bandapparat bei RA-Patienten kritisch zu beurteilen und bei insuffizienten ligamentären Strukturen dem teil- oder vollgekoppeltem Implantat den Vorzug zu geben, um der Problematik der Prothesenluxation entgegenzuwirken. Generell muss aber bei der Indikationsstellung der polytope Gelenkbefall beachtet und nicht allein der Lokalbefund am Ellenbogengelenk zu Grunde gelegt werden. Die Komplexität des rheumatischen Krankheitsbildes erfordert die Aufstellung eines individuellen Therapieplanes in Kooperation von internistischen und orthopädischen Rheumatologen, in dessen Rahmen die operative und endoprothetische Versorgung der Gelenke indiziert werden muss.
Beim Arthrosepatienten sollte die endoprothetische Versorgung des Ellenbogengelenkes eher zurückhaltend gestellt werden und auf das höhere Lebensalter beschränkt bleiben, da ein wesentlich höherer Belastungsbedarf des Kunstgelenkes mit verminderter Haltbarkeit des Implantates im Vergleich zum Rheumapatienten besteht.

Prothesenmodelle

Ungekoppelte Implantate
Hinter diesen Prothesenmodellen steht das Konzept, nur die erkrankte Gelenkfläche zu ersetzen, wie es eine häufige Vorgehensweise beispielsweise bei der Kniegelenkendoprothetik ist. Der Vorteil dieser Prothesenmodelle besteht darin, dass die auf das Gelenk einwirkenden Zug-, Scher- und Rotationskräfte im Wesentlichen durch den Badapparat übertragen werden und nicht durch das Prothesenlager, also die Verbindung zwischen Knochen und Prothese, abgefangen werden müssen. Dieses hat den zumindest theoretischen Vorteil der längeren Standzeit der Prothese, setzt aber einen intakten Bandapparat am Ellenbogengelenk voraus. Zudem muss die Prothese exakt positioniert und der Bandapparat genau ausbalanciert werden, um Luxationen zu vermeiden, aber dennoch keine zu straffe Gelenkführung mit eingeschränkter Beweglichkeit zu erzeugen. Somit ist die Implantation vergleichsweise anspruchsvoll und die Indikation auf primär stabile Ellenbogengelenke beschränkt. Mit wenigen Ausnahmen werden die ungekoppelten Prothesen mittels Zement im Humerus- bzw. Ulnaschaft fixiert.

Teilgekoppelte Implantate
Wie bei den ungekoppelten Prothesen auch besteht bei den teilgekoppelten umso mehr die Problematik eines auf die Prothese wirkenden Muskelzug, der bei kräftiger Beugung des Ellenbogengelenkes einen Schubkraft erzeugt, die die Prothese nach Kranial in den Schaft und nach dorsal zwingt (Abb. 2). Um diese Schubkraft nicht nur durch die dorsale Humeruskortikalis aufzufangen, haben die neueren Prothesensysteme Vorrichtungen, um diese Schubkraft auch auf die ventrale Humeruskortikalis zu übertragen, z.B. einen zentralen ventral die Metaphyse umfassenden „flange“ (Abb. 3).
Die Besonderheit der teilgekoppelten Implantate ist, dass sie neben der reinen Beuge- und Streckbewegung auch eine seitliche Varus- und Valgusabweichung zulassen, und so einen natürlichen Bewegungsablauf ermöglichen, der mit einer leichten Valgusstellung in Streckung startet und über eine Neutralstellung wieder eine Valgusstellung bei zunehmender Beugung erreicht. Diese zusätzlichen Freiheitsgrade reduzieren die unmittelbar auf die Prothese wirkenden Scherkräfte und ermöglichen dem Bandapparat, ein Teil dieser Kräfte abzufangen. Dennoch besteht eine feste Kopplung der humeralen und ulnaren Komponente, die eine Luxation der Prothese, wie sie bei ungekoppelten Implantaten vorkommen kann, verhindern.

Scharniergelenke
Die ersten Ellenbogenprothesen in den Jahren ab 1970 waren voll gekoppelte, so genannte „constrained“ Implantate, die lediglich einen Freiheitsgrad aufwiesen. Die Notwendigkeit, instabile Ellenbogengelenke zu versorgen, gab der Entwicklung derartiger Implantate den Vorschub. Die starre Achsführung hat eine extrem hohe Beanspruchung des Implantatlagers zur Folge mit entsprechend hohen Raten an Prothesenlockerungen oder Implantatbrüchen. Auf Grund dieser schlechten Erfahrungen und die erfolgreiche Versorgung von instabilen Ellenbogengelenken mit teilgekoppelten Implantaten ist die Verwendung von Scharniergelenken am Ellenbogen weitgehend verlassen worden.

Zusammenfassend ist zu sagen, das der endoprothetische Ersatz des Ellenbogengelenkes eine besonders strenge Indikationsstellung erfordert, eine genau überlegte Wahl des Implantates und dessen Kopplungsgrades notwendig macht und insbesondere bei jungen aktiven Patienten sehr zurückhaltend durchgeführt werden sollte. Bei einer Komplikationsrate, die immer noch höher liegt als die der Knie- und Hüftendoprothetik, kann jedoch auch bei schwersten Ellenbogengelenkdestruktionen eine zuverlässige Schmerzreduktion und ein guter funktioneller Zugewinn erzielt werden.

Ellenbogengelenk

Abb.: Rheumatisch destruiertes Ellenbogengelenk. Operative Versorgung mit einer einer teilgekoppelten Endoprothese mit einem „sloppy hinge“, der neben der reine Extension/Flexion auch eine Varus/Valgusbewegung von 5° zulässt. Der ventrale „flange“ umfasst die metaphysäre ventrale Humeruskortikalis (Pfeil) und sorgt für eine zusätzliche Abstützung der Prothese.